Auch eine Weihnachtsgeschichte

Es ist eine Woche vor dem ersten Advent. Im Wohnzimmer stapeln sich Kisten mit weihnachtlicher Deko, die ausgepackt werden möchten, um damit die Wohnung adventlich zu schmücken.

Der kleine Jamiro und ich öffnen eine Kiste nach der anderen. Die Augen meines Enkelkindes strahlen voller Vorfreude, als er die glänzenden Kugeln, Figuren und Girlanden sieht.

Eifrig macht er sich ans Auspacken, um mir zu helfen und Weihnachten in unser Zuhause zu bringen.

«Omi, da fehlt doch noch das Haus mit den Figuren!» Intensiv sieht er mich mit seinen blauen Augen an, die den Worten Gewicht verleihen. Ich spüre in diesem Moment, dass es keinen Sinn macht, ihm zu erklären, dass es noch zu früh ist, um die Krippe aufzubauen.

So geht es noch einmal hinab in den Keller, um die Krippe samt der kleinen Schachtel mit den Figuren zu holen.

Vorsichtig nimmt er mit seinen kleinen Händen jede Figur heraus und gibt ihnen einen Platz im Stall.

Als alle Figuren ihren Platz eingenommen haben, hält er inne und mit gerunzelter Stirn, als sei er ein Mathematiker, der seine Aufgabe nicht lösen kann, betrachtet er sein Kunstwerk.

Man sieht ihm an, dass er mit seinem Ergebnis nicht zufrieden ist. Sein Gesicht ist ernst und in seinem kleinen blonden Köpfchen scheint es zu arbeiten. Plötzlich springt er auf, als hätte er einen Geistesblitz erhalten.

Ohne ein Wort verschwindet  er zwischen seinen Spielsachen, um mit einem Nilpferd, einem Tiger und einem Playmobil-Polizisten zurückzukommen.

Behutsam mit leicht geneigten Kopf  stellt er jede Figur an die Seite des Christkinds.
Ich bin ein bisschen verwundert und erkläre ihm: «Jamiro, diese Figuren passen doch nicht hier rein!»

Mit seinen blauen Augen, die mir im Moment so tief und klar vorkommen, als sei er ein alter weiser Hirte, der schon viele Dinge erlebt hat, meint er dann ganz ruhig: «Aber Oma, in der Krippe haben doch alle Platz!»

Da fühle ich, dass ich dem 4 Jährigen nicht mehr die Bedeutung von Weihnachten erklären muss.